ANNA HEYDEL
Unbekanntes sichtbar machenViele bunte Punkte auf schwarzem Grund sind zu sehen, vereinzelt ziehen sich geschwungene Linien durchs Bild, werden Formen sichtbar, die oftmals wieder nebelhaft verschwimmen. Erinnerungen an Großstadtlichter werden wach, Strukturen wahrnehmbar. Ästhetisch aber uneindeutig sind die Bilder, mit denen uns Anna Heydel konfrontiert.
Wer andere Arbeiten von ihr kennt, aber weiß, dass ein prägendes Element ihrer Kunstproduktion die sehr verbreitete Brailleschrift ist – eine international von Blinden und stark Sehbehinderten genutzte Schrift. Ein Buchstabe besteht aus sechs Punkten, die meist von hinten in Papier geprägt werden und so mit den Fingerspitzen ertastet werden können.
Die von Anna Heydel benutzte Brailleschrift erfüllt keinen praktischen Nutzen, sondern wird Mittel zum Zweck und zuweilen Ausgangspunkt für ebenso umfangreiche Arbeitsprozesse. Sie erforscht die Komplexität der vornehmlich visuellen Wahrnehmung. So erstellt sie in dieser Arbeit am Rechner zunächst Wörter in Brailleschrift, die allesamt Synonyme für das Sehen sind, verschiebt diese, überlagert sie und entscheidet sich dann für eine ästhetische Form, die sie selbst „digitale Skulptur“ nennt.
Drei Vorlagen, welche bereits einer Manipulation unterzogen wurden, projiziert sie nacheinander mit einem Beamer in Räume, auf Treppenaufgänge und Hauswände, statische oder flüchtige Hintergründe, Oberflächen und Objekte. Sie nutzt das Dunkel der Nacht, die Lichteinwürfe des Projektors und hält diese erneuten Überlagerungen und Verwischungen mit der Kamera fest.
Die anfänglich konzeptuelle Ebene überführt sie über eine abstrakte, räumliche auf eine erneut digitale. Mit den entstehenden Fotografien untersucht sie weitere Möglichkeiten der Verfremdung und Verformung, verlagert mit dieser Arbeitsweise ihr eigenes Sehorgan in den Raum und ermöglicht einen konkreten Eingriff in die Realität. So macht sie auf verschiedene Weise bislang Verborgenes und Unbekanntes sichtbar.
(Text: Volker Schwennen, KW/Randlage)
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Die gezeigten Arbeiten der Serie „MinusMinusPlus“ entstanden 2021 im Kunst- und AtelierHaus6, zu deren Akteur:innen Anna Heydel gehört und zudem Vorsitzende des Atelierhausvereins Folge6 ist.
Anna Heydel wurde 1982 in Guayaquil / Ecuador geboren, studierte Politikwissenschaften in Marburg, war Lektorin bei der Frankfurter Rundschau und Projektleiterin der Sommerakademie des Fotografie Forum Frankfurt. Einige Jahre verbrachte sie auf Sardinien und lebt und arbeitet derzeit in Worpswede.
KW/Randlage ARTSPACE BERG & TAL
Tatjana Rettig & Volker Schwennen
Open: Do-Sa 17-22 Uhr, So 14-20 Uhr