Visionäres Worpswede
Über die Arbeit von Ina & Markus Landt
von Volker Schwennen
Das seit über zwanzig Jahren in Worpswede lebende, arbeitende und mit dem Ort stark verwachsene Künstler:innenpaar Ina & Markus Landt, lädt mit einer Installation Besucher:innen ein, gemeinsam mit ihnen über deren Langzeitprojekt „Visionäres Worpswede“ zu reden. Hierzu gestalteten sie eine ephemere, also nur für begrenzte Zeit bestehende „Agentur“. Es geht ihnen zum einen um den Austausch mit anderen Menschen, zugleich aber auch um eine Konkretisierung von „in der Luft liegenden Ideen“, um Gedanken, denen eine notwendige Realisierung folgen sollte und um Vorstellungen von Öffentlichkeit und Gesellschaft, die konzeptuell gefasst werden können. 24 Visionen präsentieren sie in Form von Postern im öffentlichen Raum sowie in einer Installation, in der ein geistiger Arbeitsplatz geschildert wird, an dem Visionen, Ideen und der Prozess der Umsetzung dokumentiert werden. Arbeitszettel, Skizzen und Notizen werden dabei zudem in einer Schaukasten-Situation als „Bekanntmachungen“ vermittelt.
Die Landts, wie sie im Dorf genannt werden, verorten ihre „Agentur“ im Sinne von Joseph Beuys und Heinrich Vogeler als soziale Plastik. Sie haben eine konkrete Vision: „Alle Tätigkeit kann eine künstlerische Struktur erhalten.“ Wissenschaft, die sich über-funktionalisiert habe, könne von der Kunst lernen. Und Kunst, die sich reduziert habe, könne von einer Wissenschaft lernen, die sich selbst als Kunst versteht. Sie provozieren viele mit ihrer Idee, dass Künstler:innen Expert:innen für die Erforschung der Zukunft seien. Wenn die Fragen der Zukunft ernst genommen würden, sind dies keine Fragen an irgendeinen, der die Zukunft mache, sondern an die Kunst in uns allen, sagen sie: Jeder Mensch sei aufgerufen, sich und seine Zukunft, die eigene und gemeinsame Geschichte selber zu gestalten. Künstler:innen der Zukunft seien keine „Katastrophenjäger“ mehr, denn das sei banal geworden. Vielmehr wollen sie im Sinne von Leonardo, Vogeler und Beuys die „Möglichkeiten dieser Welt“ zeigen: „Die Natur hat jetzt keine Angst mehr, dass sie zugrunde gerichtet wird.“
Eine ihrer wichtigsten Visionen ist das „Bedingungslose Grundeinkommen“, deren Grundgedanken sie in Worpswede verorten und dessen historischen Impuls hierzu Anfang der Zwanziger Jahre bei Heinrich Vogeler zu finden sei. Dieser erbaute sich oberhalb seiner Villa Barkenhoff das von ihm so benannte „Bienenhaus“, einer Vorform des heutigen Tiny-Houses. Ein Bett, ein Schreibtisch, ein Schrank, mehr brauchte er in seiner Wohnzelle nicht, in der er vom Sommer 1921 bis zum Herbst 1923 wohnte und arbeitete. Die Bienen sind dabei das lebendige Symbol für eine umfassende Qualitäts-Diskussion.
Für die Landts ist Vogelers „Vision vom Glück der freien Arbeit“ auf dem Barkenhoff Ausdruck von Wärme, Liebe und Freiheit, den Grundvoraussetzungen menschlichen Daseins. Sie fordern, dass Menschen die Möglichkeit bekommen, qualitativ zu arbeiten und dies könne besser geschehen, wenn es ein Grundeinkommen gäbe. Sie stehen ohne Wenn und Aber hinter der Idee der Künstlerhäuser Worpswede, die zu den ersten und noch heute wichtigsten Stipendienstätten Deutschlands und Europas zählt und Künstler:innen aus aller Welt Arbeitsaufenthalte ermöglicht. Stipendien für Künstler:innen bieten diesen die Möglichkeit der Selbstbestimmung, Selbstverantwortung und der Selbstverwirklichung auch im Arbeitsleben. Mit der Maxime, dass eine solche Förderung aber nicht nur einigen Künstler:innen zustehe, sondern allen Künstler:innen, vielmehr: allen Menschen. In ihrer „geistigen Arbeitsstätte“ in haus6, ihrer „Agentur“, laden sie zum Austausch mit Interessierten ein.
Weitere Visionen sollen entwickelt werden. Sie fordern das „gesunde Dorf“ oder viele Plätze und öffentliche Räume, wo Lebensinteressen zusammenlaufen. Sowohl absichtsvoll wie zufällig, wo sich Menschen treffen, sich aufhalten und begegnen können und wollen.
GEFÖRDERT VON