LEBE DEIN AENDERN
RANDLAGE ARTFESTIVAL
21.09. - 20.10.2019
Galerie Altes Rathaus, Worpswede

Claudia Christoffel


Claudia Christoffel, geboren 1971 in Lübeck, studierte zunächst an der Universität Bremen und schloss mit einem Magister Artium in Kunst- und Kulturwissenschaften und Deutscher Sprach- und Literaturwissenschaft ab. Es folgte ein Aufbaustudium an der HfbK in Hamburg, das sie 2004 mit einem Diplom der Visuellen Kommunikation abschloss. 2003 Erasmusstipendium Reykjavik / IS, Studium bei Roni Horn. U.a. erhielt sie 2005/2009 den Diplompreis gute aussichten – junge deutsche Fotografie, war 2007 Artist in Residence im Atelierhaus Point B, New York, erhielt 2008 ein Reisestipendium nach Nanning, CHR und 2009 ein Stipendium in der Villa Serpentara in Olevano Romano in Italien der Akademie der Künste Berlin. Sie lebt und arbeitet als freischaffende Künstlerin und Kuratorin (u.a. „Support your local girl-gang“) in Bremen.

Claudia Christoffel

OMAS GEGEN RECHTS / OPAS GEGEN LINKS



Claudia Christoffel geht es in ihrem bisherigen künstlerischen Schaffen um gesellschaftkritische, bisweilen politisch provokante Auseinandersetzungen. Exemplarisch für ihr Engagement steht eine für die LEBE DEIN AENDERN Ausstellung geschaffene Skulptur. Auf einem Lichttransparent, welches Tag und Nacht leuchtet, verweist sie auf eine Bewegung, welche 2017 von Monika Salzer und Frauen über sechzig in Österreichs Hauptstadt Wien gegründet wurde, als sich eine Regierung unter der Beteiligung der Rechtspopulisten der FPÖ abzeichnete. Mittlerweile ist die Bewegung in Österreich etabliert und auch in Deutschland sind inzwischen Frauen in mehr als 18 Städten aktiv – so auch in Bremen, wo die Künstlerin lebt.

In ihrer Arbeit greift Claudia Christoffel den Slogan der Bewegung „OMAS GEGEN RECHTS“ auf und transportiert ihn von der Straße in die Galerie. Als Schrift für den Namen verwendete sie die Arial, eine einfache, geradezu bürgerliche Schrift, die auch auf den Plakaten der Demonstrantinnen verwendet wird. Allerdings verschiebt sie die Dimensionen, denn die schwarzen großen Letter sind wesentlich größer als die auf den bisherigen Drucksachen. Scheint das Kunstwerk zunächst wie ein leuchtendes Beispiel für das richtige politische Handeln, drängt sich manchem auch ein Lächeln auf: „Omas gegen Rechts“ klingt fast schon harmlos im Reigen zahlreicher politisch motivierter Festivals, Konzerte oder Organisationen und Demonstrationen, die sich gegen rechte Gewalt, rechte Gesinnung, rechte Radikalität äußern und sich gegen eine zunehmende Radikalisierung von Anhängern rechtsextremen Gedankenguts wendet, die sich in den letzten Jahren in unserem Land immer mehr hemmungslos ausbreitet.

Ebenso könnte die Verwendung des Begriff „Omas“ Gefahr laufen als zu liebevoll vernommen und von manchem nicht wirklich ernstgenommen zu werden, wenngleich deren Anliegen nicht nur ein berechtigtes sondern heute umso notwendiger gewordenen Protest ausdrückt. Um dieser möglichen Reaktion entgegenzuwirken, stellt Christoffel auf der Rückseite des Lichttransparentes einen weiteren Slogan als Pendant entgegen: „Opas gegen Links“. Eine solche Verbindung hebt nicht nur die Auseinandersetzung mit Extremismus und Fanatismus, sondern erregt sofort emotionalen Widerstand. So gelingt der Künstlerin eine gewollte Provokation.

Text: Volker Schwennen

We should be all feminists
Opening-Performance


Mit ihrer Performances „We should be all feminists“, erstmals 2018 vor dem Bremer Bildhauermuseum Gerhard Marcks Haus durchgeführt, setzt sie ihr künstlerisch-politisches Engagement auch in Worpswede fort. Im Rahmen der Eröffnung des LEBE DEIN AENDERN Artfestival verteilt Christoffel Postkarten an Passanten, welche als Motiv eine Fotocollage eines historischen Ereignisses dokumentiert: Am 9. März 1954 übergaben vier Mitglieder des britischen Unterhauses – Ulster Unionist Patricia Ford, Conservative Irene Ward sowie die beiden Labour Abgeordneten Edith Summerskill und Barbara Castle – eine Petition mit 80.000 Unterschriften an das House of Commons in London. Diese forderten darin die gleichen Löhne für Männer und Frauen (in diesem Fall insbesondere für den öffentlichen Dienst). Der Moment wurde fotografisch von Dave Bagnall dokumentiert.

Eines der Fotos diente Claudia Christoffel als Vorlage für die Postkarte. Darauf stehen die vier Politikerinnen in einer Reihe. Irene Ward hält das Plakat mit der Aufschrift : „WOMAN DEMAND FOR EQUAL PAY“. Barbara Castle trägt die Unterschriftensammlung. Claudia Christoffel hat die Politikerinnen ausgeschnitten, Flecken korrigiert und einen künstlichen Schatten hinzugefügt, der den Collagecharakter verstärkt und für perspektivische Tiefe sorgt.

Ganz bewusst verwendete sie ein historisches Motiv, um auf eine aktuell immer noch bestehende Ungerechtigkeit hinzuweisen: das Fehlen von gleicher Bezahlung von Frau und Mann bei gleicher Arbeit in den meisten Staaten der Welt, wie auch in Deutschland. „WE SHOULD ALL BE FEMINISTS“ ist ein aufmerksamkeitsstarker Apell zur Veränderung der Verhältnisse, der zeigt, wie lange diese Forderung schon besteht, und dass sie immer noch nicht über den öffentlichen Dienst hinaus durchgesetzt wurde

Ich möchte kein Eisbär sein


Am 25.7 2019, an einem der wärmsten Tage des Jahres und während eines Arbeitsaufenthaltes im KW/RANDLAGE machte sich Claudia Christoffel daran, in ihrem Bremer Atelier bei 39,8 Grad eine Arbeit zu fertigen, welche im Wesentlichen die Klimaerwärmung thematisiert und darauf verweist, dass erste Opfer möglicherweise die Eisbären sein werden – später dann die Menschen. Der selbstentworfene Schriftzug „Ich möchte kein Eisbär sein“ diente ihr als Grundlage für eine 17-teilige scheinbar immer gleiche Bildreihe: Sie „kopierte“ mit der Hand das Blatt durchgängig mit dem gleichen Stift, der nach und nach an Farbe verlor, langsam austrocknete und letztlich mit dem Untergrund fast zu verschmelzen scheint.

Claudia Christoffel



1971 in Lübeck geboren, lebt in Bremen

2004/2006 Aufbaustudium Medien an der HfbK Hamburg
2004 Diplom der Visuellen Kommunikation an der HfbK Hamburg
2003 Erasmusstipendium Reykjavik / IS, Studium bei Roni Horn
2002 Magister Artium in Kulturwissenschaften, Kunstwissenschaften und Deutscher Sprach- und Literaturwissenschaft an der Universität Bremen Stipendien / Preise (Auswahl)
2009 Stipendium Villa Serpentara in Olevano Romano / I, der Akademie der Künste Berlin
2008 Reisestipendium nach Nanning / CHR, gefördert vom Institut für Auslandsbeziehungen
2007 Artist in Residence im Atelierhaus Point B / New York / USA, BBK Bremen
2005/2006 Diplompreis gute aussichten – junge deutsche Fotografie


Einzelausstellungen (Auswahl)

2019 gute aussichten heimspiel 10, Haardter Schloß Neustadt an der Weinstraße / D, mit Julia Steinigeweg

2018 LUST FOR LIFE, Galerie Mitte Bremen / D (K), mit Sirma Kekeç 2011 Das Fundament der Kunst reviseted, Gerhard Marcks Pavillon Bremen / D

2008 Darmstädter Tage der Fotografie, Galerie Christiane Klein, Darmstadt / D (K)



Gruppenausstellungen (Auswahl)

2019 LEBE DEIN AENDERN, KW/R Randlage Artfestival, Galerie Altes Rathaus Worpswede
2018 gute aussichten deluxe, Deichtorhallen Haus der Photographie Hamburg / D (K)
2018 88. Herbstausstellung, Kunstverein Hannover / D (K)
2014 Notausgang am Horizont Kunstfrühling Bremen / D
2012 musterkennung_gute aussichten, MAK Frankfurt / D
2011 Förderpreis für Bildende Kunst, Städtische Galerie, Bremen / D
2010 Sterne sehen, 25 Jahre Städtepartnerschaft Bremen-Riga, Riga Art Space / LV
2009 Förderpreis für Bildende Kunst, Städtische Galerie, Bremen / D
2009 Kunstfrühling, kuratiert von Dirck Möllmann, Bremen / D
2008 Nordlichter, Herbstausstellung, Kunstverein Hannover / D (K)
2008 Bienvenue – junge deutsche Fotografie im Dialog marokkanischer zeitgenössischer Kunst, Goetheinstitut Rabat / MA
2006 Labyrinth – internationale Künstlerbücher, Botkyrka Kunsthalle, Stockholm / S (K)
2006 gute aussichten – junge deutsche Fotografie Inlandstournee: u.a. Museum für Fotografie Berlin, Deichtorhallen Hamburg / D (K).
Bis 2008 Auslandstournee: u. a. Goethe-Institut Washington D.C./USA, Zentrum für Zeitgenössische Kunst Kiew / UA
2005 Material Fotografie, Triennale der Photographie Hamburg, Galerie KX, Hamburg / D
2000 Futur Perfekt, Gesellschaft für aktuelle Kunst, Bremen / D



Eigene freie kuratorische Projekte

2019 SUPPORT YOUR LOCAL GIRL GANG_A Room of One’s Own, Atelierhaus Güterbahnhof Bremen / D

2018 SUPPORT YOUR LOCAL GIRL GANG im Ausnahmezustand, Künstlerhäuser Worpswede / D (K) Arbeiten sind in der Sammlung der DZ Bank AG, Frankfurt am Main, dem Studienzentrum für Künstlerpublikationen im Neuen Museum Weserburg, Bremen und der Artothek Oldenburg sowie bei privaten Sammlern.

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